Sowohl die heilige Louise als auch der heilige Vinzenz waren beseelt vom Verlangen, Jesus Christus nachzuahmen in seinem Einsatz für die Armen, für die am Rand Stehenden. Die Entstehungsgeschichte unserer Gemeinschaft ist ein großes Abenteuer, sehr bewegt und auch leidvoll. Weder Vinzenz noch Louise haben daran gedacht, eine Gemeinschaft zu gründen. Es war Gottes Werk, wie beide immer wieder betonen.
Vinzenz war schon 1625 ein berühmter Kämpfer für die Rechte der Armen in einem Frankreich, in dem es nur eine kleine Schichte sehr reicher Menschen gab und Massen von Armen.
Luises Sehnsucht war es, bei den Kapuzinerinnen einzutreten. Sie beugte sich aber dem Wunsch der einflussreichen Verwandten, die ihren Eintritt ablehnten, und heiratete Anton von Le Gras. Nach einigen Ehejahren war sie Witwe mit einem kleinen Sohn. Sie blieb nun ihrer Sehnsucht auf der Spur und zusammen mit Vinzenz von Paul setzte sie ihre Vision in die Tat um. Als sich 1633 in Paris zum ersten Mal eine kleine Gruppe begeisterter bereitwilliger junger Frauen im Haus von Louise versammelte, um im Namen Jesu sich der Ärmsten anzunehmen, war es klar, dass diese Gemeinschaft kein Orden im herkömmlichen Sinn werden konnte.
Es musste ja ein Kommen und Gehen möglich sein, um allen leiblichen und geistlichen Bedürfnissen gerecht zu werden: den Findelkindern, den kranken Menschen in den Wohnungen, den Galeerensträflingen, den Flüchtlingen, den verwundeten Soldaten, den ungebildeten Mädchen und Frauen, die keinen Zugang zu einer Ausbildung hatten, den ausgesetzten Alten und den gefährdeten Frauen. Dabei ging es nicht nur im Pflege, um Bereitstellung von Essen und Trinken und um Erteilung von Unterricht, sondern auch um die geistlichen Bedürfnisse, wie die Anleitung zum Gebet und das geistliche Gespräch.
Im Laufe der Gründungsjahre hat sich die CHARTA der Gemeinschaft gebildet. Sie lautet:
Spiritualität
Sie haben als Kloster die Häuser der Kranken
oder die Wohnung ihrer Oberin,
als Zelle eine Mietwohnung,
als Kapelle die Pfarrkirche,
als Klostergänge die Straßen der Stadt,
als Klausur den Gehorsam,
als Gitter die Furcht Gottes,
als Schleier die heilige Bescheidenheit.
Als 1660 beide Gründer verstarben, gab es bereits 50 Niederlassungen in ganz Frankreich und in Polen mit etwas mehr als 200 Schwestern. Heute ist die Gemeinschaft die zahlenmäßig stärkste Frauengemeinschaft in der Kirche und ist in 93 Nationen vertreten.
Louise hat der Gemeinschaft einen Wahlspruch aus den Texten des heiligen Paulus gegeben:
"Die Liebe Christi, des Gekreuzigten, drängt uns!"
Gleichzeitig sind die Worte Jesu "Was ihr dem Geringsten getan habt, das hat ihr mir getan" ein immer neuer Auftrag. Vinzenz von Paul wurde nicht müde, den Schwestern in Erinnerung zu rufen: "Die Armen sind eure Herren und Meister!" Daraus folgt, dass ihnen immer mit Hochachtung, mit Herzlichkeit und Zartgefühl zu dienen ist. So ist die Gemeinschaft auch heute gefordert und alle Mitglieder haben einen ständigen inneren und äußeren Kampf zu führen, um ihrer Berufung gerecht zu werden. Es ist ihnen aufgetragen, die "Zeichen der Zeit" zu verstehen, um das umzusetzen, was möglich ist.