Das Taufbuch der Stadtpfarre Graz bezeugt, dass Maria Josefa Brandis am 27. 11. 1815 geboren und getauft worden ist. Sie war die Tochter des Reichsgrafen Brandis und seiner Gemahlin Josefa, einer geborenen Gräfin von Welsersheimb. Es war ein berühmtes und zugleich tiefkatholisches Geschlecht, dem sie entstammte. 1822 übersiedelte die Familie, inzwischen waren zwei Brüder dazugekommen, nach Wien, da Graf Brandis vom Kaiser zum Reichsrat ernannt worden war. In Wien wurde sie ihrem Stande gemäß bestens ausgebildet. 1831 begab sich die Familie nach Marburg, dort bewohnten sie die Burg Marburg, welche 1737 an die Familie Brandis gekommen war. Auf dieser Burg verbrachte nun Maria Josefa schöne und unbeschwerte Jugendjahre. So manche edle und vorzügliche Bewerber kamen, um ihre Gunst zu werben. Das Foto zeigt sie wohl aus dieser Zeit.
Maria Josefa Brandis - und die Entstehung der Provinz Graz
Doch sie spürte schon damals, dass sie von Jesus zu einem anderen Weg gerufen sei. Mit immer größerer Entschiedenheit suchte sie nach diesem Weg und es bedeutet ihr stets eine große Freude, wenn sie Armen helfen und Kranken beistehen konnte. In großer Heiterkeit führte sie doch ein Leben von großer Disziplin, die sie sich selbst auferlegte. Marburg gehörte damals noch zur Diözese Seckau. Oberhirte der Diözese war der fromme Fürstbischof Roman Sebastian Zängerle, der ein vertrauter Freund der Familie war. So wurde er auch der geistliche Begleiter der jungen Gräfin. Ihm vertraute sie auch ihr Verlangen an, sich ganz Gott und den Armen zu weihen. Einfühlsam begleitete er sie in ihrem Suchen und Sehnen. Für die Eltern, obwohl tief gläubig und der Kirche verbunden, war die Eröffnung eines solchen Vorhabens zunächst ein Schock, und der Bischof hatte Mühe, sie zur Großmut zu ermuntern. Eine eindeutige Antwort gab der Bischof der Mutter im Jahre 1833: "Sollte Gott eines Ihrer Kinder näher in seinen Dienst berufen, so weiß ich, dass Sie es ihm nicht vorenthalten, weil wir doch alle sein Eigentum sind."
Im Jahre 1837 sandte der Fürstbischof schließlich Maria Josefa zusammen mit fünf anderen Mädchen aus der Steiermark, die denselben Wunsch hegten, zu den Barmherzigen Schwestern nach München, mit der Absicht, sie darnach wieder nach Graz zu holen, wo sie die Pflege der Kranken im Zivilspital, damals am Paulustor gelegen, übernehmen sollten. Tatsächlich nahmen alle sechs jungen Schwestern mit Großherzigkeit und starkem Glauben alles auf sich, um sich sowohl in die Krankenpflege als auch in das Leben einer geistlichen Schwester einführen zu lassen. 1839 folgten vier weitere Mädchen aus Steiermark nach München. Dem Bischof machte man inzwischen in Graz große Schwierigkeiten und bald wäre das ganze Vorhaben gescheitert. Schließlich gelang doch die Gründung in Graz, allerdings zu harten Bedingungen: Das Wohnhaus für die Schwestern müsste von privaten Spenden errichtet werden und den Krankendienst müssten die Schwestern unentgeltlich übernehmen. Erst nachdem dies akzeptiert wurde, kam die kaiserliche Genehmigung. 1841 kamen die Schwestern mit einer erfahrenen Schwester von München nach Graz und am 24. April, dem Geburtstag des hl. Vinzenz, wurde ihnen das Zivilkrankenhaus feierlich übergeben. Es waren unvorstellbare Schwierigkeiten, welche die Schwestern, die ein sehr entbehrungsreiches Leben führten, in den ersten Jahren zu bewältigen hatten, dazu kamen harte Verleumdungen.
Mutter Brandis, die inzwischen Oberin geworden war, bemerkte bald, dass die Gemeinschaft von München nicht von der ursprünglichen Gründung des hl. Vinzenz herzuleiten ist. So suchte und fand sie nach vielen Mühen den Ursprung der Gemeinschaft in Paris.
Nun galt ihr ganzes Bestreben, die Gründung von Graz, der großen weltweiten ursprünglichen Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern anzuschließen. Mitten in ihren Bemühungen starb 1848 der väterliche Freund und Gönner der Gemeinschaft, Fürstbischof Roman Zängerle. Inzwischen traten viele junge Frauen der Gemeinschaft in Graz bei und es wurden zahlreiche neue Niederlassungen in mehreren Kronländern gegründet. Im Jahre 1851 wurde die Vereinigung mit der weltweiten Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern vollzogen. Bis zum Jahre 1900 stand Sr. Josefa Leopoldine Brandis als Visitatorin der Grazer Provinz vor, die Zahl der Schwestern stieg in diesem Zeitraum auf 2700 an und die Schwestern übernahmen Spitäler, Schulen und Strafanstalten, wo sie in großem Glaubensgeist unter heute unvorstellbar schweren Bedingungen ihren Dienst taten, insgesamt waren es 210 Niederlassungen. Sr. Leopoldine Brandis war unermüdlich bemüht, den Armen zu helfen und dem Reich Gottes zu dienen, indem sie die Schwestern unterstützte und im Glauben ermutigte.
Im Jahre 2000 gedachte die Grazer Provinz dieser ungewöhnlichen und glaubensstarken Frau.
Zur Festfeier kamen auch die Generaloberin aus Paris, Schwestern aus München, Tirol, Wien, Slowenien, Ungarn und der Slowakei. Das neue Pflegeheim der Schwestern ist ihrem Namen gewidmet.